Verlustfreie (nicht-destruktive) Bildbearbeitung/Non-destructive Imaging
Inhaltsverzeichnis
Allgemeine Definition
Bildbearbeitungsverfahren/-prozeß, bei dem das Ursprungs-(Quell-)Datenfile unverändert bleibt.
Dieses Ziel kann erreicht werden auf mehrere unterschiedliche Arten,
jede hat ihre Vor- und Nachteile.
Parallel dazu hat die Digitalfotografie mit ihren proprietären
RAW-Formaten die Software-Entwickler gezwungen, Wege zu finden, wie man
Änderungen speichert, ohne das Originalbild “anzufassen”.
Außerdem sollten möglich sein:
- Identische Operationen auf viele Fotos gleichzeitig anwenden
- aus einem Bild viele unterschiedliche Ableitungen erzeugen: z. B. S/W - Farbe, Unterschiedliche Ausschnitte, etc.
- Die Möglichkeit, die Rohdaten mit zukünftigen besseren Technologien erneut zu bearbeiten.
Exkurs
Im Zusammenhang mit verlustfreier/nicht-destruktiver Bildbearbeitung kann das ursprüngliche Bildfile aus Digitalkameras - am besten als RAW-File - verstanden werden wie in der analogen Fotografie der Film (Negativ oder Dia). Es gibt nur ein Original, alles andere sind “Abzüge”, ob auf Papier oder durch Konkaktkopie wieder auf Film, das ist nebensächlich. In der Regel werden bei solchen Kopien = “Abzügen” Korrekturen durchgeführt: Belichtung, Farbfilterung etc., sodaß sich der Abzug vom Original unterscheiden wird.
In der digitalen Bildbearbeitung steht nun anstelle des “Abzugs” die “abgeleitete Bilddatei”, die durch 1 oder mehrere Bearbeitungsschritte aus dem Original entstanden ist.
Bildbearbeitungsverfahren
Die Technik der nicht-destruktiven/verlustfreien Bildbearbeitung hat sich über die Jahre entwickelt, und zum besseren Verständnis werden im Folgenden sowohl die unterschiedlichen Methoden als auch deren zeitliche Abfolge dargestellt.
abgeleitete Bilddateien - “speichern unter”
Die Originaldatei wird erhalten, wenn nach der Bearbeitung das Ergebnis mittels “speichern unter” als neue Datei abgespeichert wird.
- Vorteile:
- verfügbar in jeder Art von Bildbearbeitungsprogrammen
- Nachteile:
- es ist im Nachhinein schwer nachzuvollziehen, welche Änderungen durchgeführt wurden, es müßte von Hand ein Protokoll geführt werden
- jede Änderung, die erhalten bleiben soll (auch die Speicherung von Zwischenschritten) beanspricht jeweils den Speicherplatz der kompletten Bilddatei
- Um in einer Kette von z. B. 5 Bearbeitungsschritten den z. B. 3. Schritt zu verändern oder wegzulassen müssen die nachfolgenden (hier der 4. und 5.) erneut, aufbauend auf dem nach dem 2. Schritt (hoffentlich) abgespeicherten Zwischenergebnis, durchgeführt werden.
Ebenentechnik
1. Entwicklungsschritt: Ebenen
Alle Bearbeitungsschritte werden jeweils in einer Ebene innerhalb derselben Bilddatei gespeichert, dies war z. B. ab Photoshop 3 möglich. Die Bilddatei fungiert dabei wie ein Schnellhefter, in dem Blatt für Blatt die nacheinander folgenden (Zwischen-)Bilder aus den jeweiligen Bearbeitungsschritten abgeheftet werden. Die erste (quasi unterste) Ebene ist die unverändert bleibende Ursprungsbilddatei.
- Vorteile:
- Die Ebenen können beschriftet werden und es ist ersichtlich, was gemacht wurde.
- Das “Dateichaos” wird übersichtlicher.
- Nachteile:
- Jede Ebene beansprucht weiterhin zusätzlich den vollen Speicherplatz der Ursprungsbilddatei.
- wie bei den abgeleiteten Bilddateien (“Speichern unter”) ist das nachträgliche Ändern oder Entfernen von Zwischenschritten nicht möglich, ohne alle folgenden Schritte erneut durchzuführen.
2. Entwicklungsschritt: Einstell-Ebenen
In einer späteren Version von Photoshop werden die sog. Einstellebenen eingeführt. Das kann man sich nicht wie den oben erwähnten Schnellhefter, sondern eher wie einen flachen Karton vorstellen, in den zuunterst das Originalbild gelegt wird. Mit jedem Bearbeitungsschritt wird nun quasi eine “Folie” draufgelegt, die die entsprechenden Eigenschaften des Bearbeitungsschrittes hat: neutral getönte Folie für Helligkeitsänderung, Farbfolie für Änderungen des Weißabgleichs etc.
- Vorteile:
- Der “Folienstapel”, also die Einstellebenen, benötigen viel weniger Speicherplatz als Ebenen mit Bildinhalt.
- Einzelne Bearbeitungsschritte können im Nachhinein gelöscht (= “Folie entfernt”) oder geändert werden, ebenso können die Bearbeitungsschritte in der Reihenfolge vertauscht werden.
- Nachteile:
- Das Endergebnis liegt nicht mehr fest vor, beim Betrachten des Bildes müssen die einzelnen, in den Einstellebenen abgespeicherten Bearbeitungsschritte erst durchgeführt werden, bevor das Ergebnis auf dem Bildschirm angezeigt werden kann.
- Für schnelle Bildbetrachtung/-verwaltung, insbesondere mit “fremder” Software, muß ein Vorschaubild geringerer Auflösung als oberste Lage in die Bilddatei eingebettet werden.
Parametrische Bildbearbeitung
Parameter {paˈraːmetɐ} (gr. παρά para ‚neben‘ und μέτρον metron ‚Maß‘): eine Stellgröße oder eine Einflussgröße, die von außen auf ein betrachtetes Objekt einwirkt (Wikipedia).
In der Video-Bearbeitung und auch im Bereich Desktop-Publishing
(rechnergestützter Satz von Dokumenten) ist es seit geraumer Zeit
üblich, nicht direkt mit den Files in der vollen Größe zu arbeiten,
sondern stellvertretend z. B. kleinere Bilder zu nutzen, um den Effekt
der Bearbeitungsschritte zu beurteilen, die Files in der eigentlichen
vollen Auflösung aber erst beim abschließenden Export zu erzeugen. Dies
war der Tatsache geschuldet, daß die verfügbare Rechnerleistung der
begrenzende Faktor für die direkte Bearbeitung der Files in der vollen
Auflösung darstellte.
Die Bearbeitungsschritte wurden als „Satz“ von Parametern
abgespeichert, in der Regel in einer kleinen Begleit-Datei (engl.
„side-car file“). Die Anwendung der Parameter auf das Original beim
Export, also das Berechnen des endgültigen Bildes aus den Rohdaten
einerseits und den abgespeicherten Parametern in der Begleitdatei
andererseits, nennt man „rendern“.
In der Fotografie fand diese Art der Bearbeitung erst Einzug, als in
großer Anzahl Kameras auf den Markt kamen, die Rohdaten-Files (RAW)
abspeichern konnten. Die Rohdaten-Formate vieler Kamera-Hersteller sind
nicht öffentlich dokumentiert, sodaß Softwarehersteller gut beraten
sind, Veränderungen nicht direkt in die Original-Datei
zurückzuspeichern, da dabei immer das Risiko einer Beschädigung der
Datei besteht.
Dies und die Tatsache, daß die Bilddaten in einer Rohdaten-Datei als
Mosaik vorliegen, die erst zu einem echten Bild „sortiert und
zusammengesetzt“ werden müssen, führte zu einer Übernahme des Prinzips
der parametrischen Bildbearbeitung auch in der Fotobearbeitung, zunächst
in speziellen Programmen zum „Entwickeln der Rohdaten“ (RAW-Konverter).
Diese RAW-Konverter wuchsen durch Ergänzung um weitere Funktionen in
einigen Fällen zu umfassenden Software-Produkten, die neben der Funktion
des eigentlichen „Entwickelns“ der Rohdaten auch etliche
Nachbearbeitungs-/Retusche-Funktionen und die Möglichkeit der Bewertung
und Verwaltung des Bildarchivs bieten, dabei aber das Prinzip der
Parametrischen Bildbearbeitung beibehalten (die Basis ist ja immer das
Rohdaten-File aus der Kamera).
Im Abschnitt „Ebenentechnik“ wurde zur Veranschaulichung von
Schnellheftern und Folienstapeln gesprochen, die parametrische
Bildbearbeitung läßt sich eher vergleichen mit einem Kochrezept, das
durch die Begleitdatei (meist mit der Endung .xmp) darstellt wird.
Darin notiert sind die Einstellwerte der einzelnen
Bearbeitungsschritte, die der Reihe nach abgearbeitet werden. Einzelne
Bearbeitungsschritte („Zutaten“) können dem „Kochrezept“ hinzugefügt
oder weggelassen werden, aber nicht bei allen Software-Programmen, die
nach diesem Konzept arbeiten, läßt sich die Reihenfolge frei wählen (wie
im „realen Leben“ beim Kochen auch). Ist die Reihenfolge der verfügbaren
Bearbeitungsschritte programmintern festgelegt, dann mit dem Ziel,
möglichst wenige Konvertierungen zwischen z. B. unterschiedlichen
Farbräumen zu erreichen, da solche Konvertierungen mit
Qualitätsverlusten verbunden sein können.
- Vorteile:
- Im Gegensatz zur Methode der Einstellebenen wird hier NIE schreibend auf die Ursprungsdatei zugegriffen, Datenverlust durch Schreibfehler ist also ausgeschlossen.
- Übertragung von Bearbeitungsschritten auf andere Fotos: Die Bearbeitungssoftware bietet i. d. R. eine Kopierfunktion, mit der alle oder ausgewählte Bearbeitungsschritte kopiert werden können, um sie auf andere Bilder zu übertragen. Dabei werden sie dort einfach der jeweiligen begleitenden Textdatei hinzugefügt, auch das geht sehr schnell.
- Speicherplatzersparnis: Die Aufzeichnung der Bearbeitungsschritte in kleinen Textdateien ist sehr speicherplatzeffizient, und das Abspeichern mehrerer Versionen eines Bildes bringt einfach jeweils eine zusätzliche dieser kleinen Textdateien pro Version. Das Ursprungs-Bild selbst bleibt nur einmal gespeichert.
- Jederzeitiges Rückgängig-machen oder Verändern von beliebigen, auch Zwischen- Bearbeitungsschritten.
- Nachteile:
- Das Bild muß zu jeder Darstellung aus den Instruktionen neu gerechnet werden.
- Das Ergebnis der Bearbeitung kann nur mit der zugehörigen Software (Rendering Engine) korrekt dargestellt werden.
Beispiele für Software nach diesem Prinzip: Adobe Lightroom, darktable (beide mit einer ausgefeilten Bildverwaltung in einer Datenbank), RawTherapee, Lightzone, etc.
Literaturhinweise
Peter Krogh
Non-Destructive Imaging:
An Evolution of Rendering Technology
Part I
Technical Paper, 18 Seiten
Herausgeber: Adobe Systems Incorporated, 2007\
zuletzt geändert am: 20.11.2013 - 1171 Worte - Lesezeit: 6 Minute(n)