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In-Kamera-Bildkontrolle oder: das Sony-Problem

veröffentlicht am 11.11.2021 - aktualisiert am 10.05.2022 in * BILDBEARBEITUNG * FOTOTECHNIK *

Inhaltsverzeichnis

 

Unlängst erschien im Photografix-Magazin ein Artikel zu den Stärken und Schwächen der Sony A7 IV.

Das hätte ich jetzt weitgehend ignoriert, jedoch hatte ich hier kürzlich eine Diskussion mit einem Leser, der eine Vorgänger-Version dieser Kamera hat. Mal eben “drüberlesen” schadet ja nicht …
In der Aufzählung unter Punkt 2 fand ich dann diese Passagen:

  1. Ein Display mit 1,04 Millionen Bildpunkten

Das Display der Sony A7 IV besitzt jetzt zwar erweiterte Touchscreenfunktionen und ist beweglicher als früher, die Auflösung fällt mit 1,04 Millionen Bildpunkten aber ziemlich gering aus. (…) Ob 1,62 Millionen Bildpunkte einen wirklichen Unterschied machen würden, sei mal dahingestellt. Würden sie wahrscheinlich nicht, am Ende des Tages kann man eh keine richtige Bildkontrolle an den kleinen Kameradisplays durchführen. (…).

Und hier springt der Autor nicht nur zu kurz, sondern auch noch kräftig daneben.

Was ist Bildkontrolle?

Zunächst: ich gehe im Folgenden davon aus, daß der Fotograf in RAW fotografiert. Und für diesen Fall relevant sind:

Vorschau, Histogramm, Überbelichtungs-Warnung

Jede Kamera bettet in die RAW-Datei auch eine JPEG-Datei ein, und diese wird herangezogen, um

etc. zu generieren, wie Michael J. Hußmann im Blog der Zeitschrift DOCMA erläutert.

Detailkontrolle wie z. B. Schärfe

Auch hierfür wird das eingebettete JPEG verwendet. Sinnvolle Kameras bieten Einstellungen an, per Tastendruck die Vorschau auf 100% zu zoomen - wie hier für meine Nikons dargestellt:

100%-Bildkontrolle

Damit ist dann “Pixel-peepen im Feld” möglich … Schärfekontrolle vor Ort bei bewegungsreichen Szenen oder Mitziehern oder dergleichen. Hier verstehe ich das Problem des Autors nicht wirklich - bisher. Aber:

Die Sony A7 IV im Vergleich mit Kameras anderer Hersteller

Vorbemerkungen

Bei pixls.us gibt es eine große Datenbank mit RAW-Aufnahmen vieler Kameras der meisten Hersteller - diese Dateien sind gedacht für Entwickler von Foto-Software, es kann sie aber jeder gemäß den Lizenzbestimmungen auch für eigene Untersuchungen nutzen.
Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels standen RAW-Dateien der Sony A7 IV noch nicht zur Verfügung, für den Vergleich habe ich deshalb die Dateien der A7 III verwendet. Für die hier diskutierten Verhältnisse dürfte das keinen Unterschied machen, denn diese sind identisch auch bei der A7R III, der A7R IV und auch der A9 II so vorzufinden.

Für die hier beschriebenen Vergleiche nutze ich exiftool in meinem auf github veröffentlichten Script exiftune.sh.

Die Ergebnisse im Kamera-Vergleich - Sony ist anders

Die folgende Tabelle gibt für jeden Kameratyp die folgenden beiden Kennwerte wieder: Auflösung der RAW-Datei, Auflösung des größten eingebetteten JPG-Bildes.

Hersteller/Modell RAW-Bildgröße größtes eingeb. JPG
Nikon D700 4288 x 2844 4256 x 2832
Nikon D850 8288 x 5520 8256 x 5504
Pentax K-5 4992 x 3284 4928 x 3264
Canon EOS 70D 5568 x 3708 5472 x 3648
Fuji X-T30 6384 x 4182 4416 x 2944
Olympus PEN E-P3 4080 x 3040 3200 x 2400
Panasonic DMC-LX100 4144 x 3104 1920 x 1440
Sony A7 III 6024 x 4024 1616 x 1080
Sony A7R III 7968 x 5320 1616 x 1080
Sony A7R IV 9600 x 6376 1616 x 1080

Erkenntnis: die alten Kamerahersteller liefern durch die Bank entweder Vorschaubilder in voller Größe (abzgl. kleinem Randbeschnitt für Objektivkorrekturen) oder nur leicht “geschrumpfte” Vorschaubilder zwischen 70 und 80% der Kantenlänge des RAW.

Aus dem Rahmen fallen hier Panasonic und Sony, Sony liefert beharrlich die kleinsten “Briefmarken” ab - kaum mehr als Vorschaubild zu bezeichnen.

Praktische Demonstration

Wie muß man sich jetzt die Situation in der Praxis vorstellen? Das will ich hier am Beispiel einer Schärfenbeurteilung zeigen:

Das aufgenommene Bild - hier mit meiner D500 - sieht so aus:

Gesamtbild aus einer D500

Das rote Quadrat zeigt den Ort des Fokus-Punktes.
Mit der oben gezeigten Voreinstellung genügt ein Tastendruck, um den Bereich um den Fokus-Punkt herum in 100%-Vergrößerung auf’s Display zu bringen - das ist doch gut zu beurteilen, oder etwa nicht?

Bildausschnitt in 100%-Zoom zur Schärfekontrolle

Anmerkung: ich zeige hier direkte Screenshots aus der Kamera. Hier für die Webseite ist das Bild weiter verkleinert auf 600 x 450 Pixel, das sind dann sogar nur noch 270.000 Bildpunkte

Würde man jetzt denselben Ausschnitt aus der “Sony-Briefmarke” ausschneiden und auf dieselbe Größe zoomen, dann sähe das Ergebnis so aus:

Simulation einer Bildkontrolle in einer Sony-Kamera
bei gleichem Bildausschnitt

Und bei noch höher auflösenden Kameras - etwa der A7R - wird der Schärfe- und Detailverlust noch “schöner” …

Anders ausgedrückt: denselben Bildausschnitt, den ein Nikon-, Canon- oder Pentax-Fotograf in 100%-Darstellung auf dem Display sieht, den sieht ein Sony-Fotograf erst bei 270% Zoomlevel (bei einer 24MP-Kamera wie der oben betrachteten A7 III - bei einer hochauflösenden 60MP-Kamera wie der A7R IV steigt der notwendige Maßstab auf knapp 600%).

Schlussfolgerung

Danach glaube ich schon, daß der Autor des eingangs erwähnten Artikels keine Bildbeurteilung machen kann. Eine höhere Display-Auflösung kann hier aber rein gar nichts bewirken - was nicht da ist, kann auch nicht angezeigt werden.
(Wie ich schon schrieb: nicht nur zu kurz, sondern auch noch daneben gesprungen)

Wenn die anzeigbare “Briefmarke” eine Auflösung von maximal

1616Px * 1080Px = 1.745.280 Bildpunkte

hat, dann macht eine höhere Displayauflösung (etwa 2.359.000 Bildpunkte wie bei meiner etliche Jahre alten D500) keinen Sinn für Sony - und folgerichtig kann man da dann sparen …

Nachtrag

Leser Manuel weist in seinem Kommentar dankenswerterweise darauf hin, daß die obige Darstellung bzgl. der Größe der eingebetteten JPGs zwar richtig ist, zumindest in Sony-Kameras sich aber für die Bildbeurteilung nicht ganz so krass auswirkt:

für das schnelle Durchblättern auf der Kamera vrmtl. tatsächlich das Vorschaubild im ARW verwendet wird, aber bei einer Vergrößerung das ARW erst nochmal durch die Kamera-Entwicklung läuft, was auch die geringe Verzögerung beim Vergrößern erklären würde.

Und dazu hat er einen schönen Vergleich angefügt - vielen Dank dafür - und daher stelle ich das hier gerne richtig.

Aber das Sony-Problem zieht sich weiter …

Der Workflow nach der Aufnahme - eine Leseranfrage

An dieser Stelle kommt wieder der eingangs erwähnte Leser dieser Seiten zum Zug, der um Rat fragte, weil die Arbeit im RAW-Konverter (in diesem Fall: darktable) für ihn bei großen Bildmengen quälend langsam vonstatten gehe.

Wie machst du/andere das? Um die Schärfe korrekt beurteilen zu können, reichen mir die eingebetteten JPGs nicht. Inzwischen bin ich dabei, die parallel aufgenommenen “richtigen” JPGs zu bewerten und daraufhin die RAW-Datien zu selektieren, was jedoch kein wirklicher Ablauf ist. (…)
Das Motiv lässt sich einfach beurteilen. Ist es gerade, stimmt die Perspektive, gefällt der Hintergrund, etc., dafür ist nicht jedes Detail notwendig - für die Schärfebeurteilung schon.

Der ’normale’ Workflow

Wildlife- und Sportfotografen, teilweise auch Event- und Hochzeitsfotografen, kämpfen oft mit demselben Problem: Sie müssen in kurzer Zeit große Mengen Bildmaterial “durchforsten” und beurteilen - und wie im Märchen aussortieren:

die guten ins Töpfchen - die schlechten ins Kröpfchen

Statt hilfreicher Tauben stehen dem Fotografen lediglich einige Tools zur Verfügung:

  1. Vorsortieren mit Bilderviewer

    Das Vorgehen hatte ich hier beschrieben. Im Kern geht es darum, schnell große Mengen von RAW-Bildern vorsortieren zu können, bevor die reduzierte Anzahl dann in den eigentlichen RAW-Konverter/Workflow-Programm importiert wird. Die hierfür üblichen Programme wie Geeqie (Linux) oder Photo Mechanic (Windows/macOS) nutzen das eingebettete JPEG zur Bildanzeige - eine Kontrolle der RAW-Datei in der 100%-Ansicht ist daher nur möglich, wenn die eingebettete JPEG-Datei die volle Größe hat.

    Übrigens: auch einige Allzweck-Bilderviewer wie z. B. XnView MP ermöglichen auf diese Weise die Voransicht von RAW-Dateien.

  2. Vorauswahl in der Workflow-Software

    Manche Programme, wie z. B. darktable, bieten eine Einstellmöglichkeit an, auf welche Weise die Vorschaubilder erzeugt werden sollen:

    =Bildbeschreibung=

    In der gezeigten Einstellung werden diese nach dem Import im Leuchttisch direkt aus dem eingebetteten JPEG angezeigt, solange die Bilder noch nicht entwickelt wurden, wie das Manual beschreibt. Dies erfolgt dann sehr schnell.

Beide Vorgehensweisen stellen kein Problem dar für Fotografen mit Kameras der traditionellen Hersteller Nikon, Canon, Pentax, mit leichten Abstrichen auch Olympus und Fuji.

Die Sony-Workflow-Workarounds

Dem Sony-Fotografen bleiben nur die beiden folgenden ‘Krücken’, um hier zum Ziel zu kommen:

  1. Kamera-Einstellung RAW+JPEG

    Beim Fotografieren wird also jedes Bild zweimal abgespeichert, einmal als RAW-Datei, einmal als JPEG in voller Größe.

    • Das JPEG-Bild wird dann lediglich genutzt, um eine Vorauswahl zu treffen - die nicht benötigten (Motiv, Schärfe, …) werden gelöscht.
    • Im zweiten und zusätzlichen Schritt müssen dann die jeweiligen RAW-Bilder anhand der übrig gebliebenen JPEG-Bilder ausgewählt werden - und erst die so selektierten RAW-Bilder werden dann importiert und weiterverarbeitet.

    Wie schrieb der oben zitierte Leser zu Recht: das ist “kein wirklicher Ablauf”.

  2. Gleich importieren - und warten

    Alternativ kann man auch gleich alle RAW-Bilder importieren … und warten. Lightroom nimmt sich dann erstmal die Zeit, alle benötigten Vorschau-Bilder aus den RAW zu berechnen - das passiert wohl automatisch und man kann sich in der Zwischenzeit wohl erstmal gemütlich ’nen Kaffee holen.
    In darktable ist dazu das Programm darktable-generate-cache zu starten und mit der Start-Bildnummer der importierten Bilder-Serie sowie der Angabe, die Größen 0 bis 7 zu erzeugen, zu füttern.

     ~$ darktable-generate-cache --min-mip 0 --max-mip 7 --min-imgid {Bild-ID}
    

    Auch das nimmt dann erstmal Zeit in Anspruch.

Wer also gerne mehr aus seinen Bildern machen will, deswegen in RAW fotografiert - und mit vielen Bildern in kurzer Zeit zu kämpfen hat, für die er erstmal eine Vorauswahl treffen will … der hat an dieser Stelle mit einer Sony ganz klar ein Problem.

Fazit: Bildkontrolle bei Sony-Kameras

Der Autor des eingangs benannten Artikels hat Recht: Bildkontrolle ist bei der Sony nicht wirklich möglich - zumindest, wenn man in RAW fotografiert. Gar nichts zu tun hat das aber mit der Auflösung des rückwärtigen Displays.

Sony hat offenbar bis heute nicht vollständig verstanden, wozu ein JPEG in eine RAW-Datei eingebettet wird.

1614 Worte - Lesezeit: 8 Minute(n)

 

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